Pfarrer sind anstelle des Wartestandes vorrangig auf eine andere Stelle zu versetzen, Verwaltungsgericht der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, Beschluss v. 31.01.2016, Az. KVwG 4/2015

Ist das Vertrauensverhältnis zwischen einem Pfarrer und der Kirchengemeinde stark belastet oder gar zerstört, kann ein besonderes Verfahren eingeleitet werden, an dessen Ende festgestellt wird, ob eine sogenannte „nachhaltige Störung“ vorliegt. Diese Feststellung ist Voraussetzung für eine Versetzung des Pfarrers aus der Gemeinde heraus. Dieser Einschnitt ist bereits für alle Beteiligten dramatisch, noch entscheidender ist aber häufig „wohin“ die Versetzung erfolgt. Das Kirchliche Verwaltungsgericht Sachsen hat in einer aktuellen Entscheidung nun festgestellt, dass die Versetzung vorrangig auf eine andere Stelle – auch gegen den Willen des Pfarrers – zu erfolgen hat. Insbesondere darf sie nicht automatisch in den Wartestand erfolgen.

Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist in der ersten Instanz bereits unanfechtbar.

Das Gericht beschloss im Wortlaut:

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen Ziffer 2 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 3. November 2015 wird angeordnet.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Gründe

Der Antrag ist nach § 32 Abs. 4 KvwGG zulässig. Dem rechtzeitig erhobenen Widerspruch der Antragstellerin gegen ihre mit Ziffer 2 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 3. November 2016 verfügten Versetzung in den Wartestand kommt nach § 105 Abs. 3 Nr. 5 des Pfarrdienstgesetzes der EKD (PfDG.EKD), das gemäß § 2 der Zweiten Verordnung über das Inkrafttreten des Pfarrdienstgesetzes der EKD vom 10. Dezember 2011 (Abl. EKD 2011 S. 349) hier anwendbar ist, keine aufschiebende Wirkung zu. Fristen waren für den Antrag nicht einzuhalten.

Der Antrag ist auch begründet. Das Gericht hat bei seiner Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eine eigene Abwägung darüber zu treffen, ob die sofortige Vollziehung im kirchlichen oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten geboten ist oder das Interesse des Adressaten des Verwaltungsaktes, von dessen Vollziehung vorläufig verschont zu bleiben, überwiegt. Dabei ist im Rahmen der Abwägung auch zu berücksichtigen, ob der kirchliche Gesetzgeber – wie hier – selbst die vorläufige Vollziehbarkeit angeordnet hat. In diesem Fall ist für den Regelfall von einem überwiegenden Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit auszugehen. Eine Ausnahme gilt aber jedenfalls dann, wenn der zugrundeliegende Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. So liegt der Fall hier, denn es spricht derzeit alles dafür, dass die mit Ziffer 2 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 3. November 2015 erfolgte Versetzung der Antragstellerin in den Wartestand rechtswidrig ist und die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt (§ 58 Abs. 1 Satz 1 KvwGG entspr.).

Nach § 83 Abs. 2 Satz 1 PfDG.EKD wird ein Pfarrer in den Wartestand versetzt, wenn eine Versetzung in eine andere Stelle u.a. im Falle des § 79 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 PfDG.EKD nicht durchführbar ist. Nach § 79 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 PfDG.EKD liegt ein besonderes dienstliches Interesse an einer Versetzung vor, wenn in der bisherigen Stelle oder ihrem bisherigen Auftrag eine nachhaltige Störung in der Wahrnehmung des Dienstes gemäß § 80 Abs. 1 und 2 PfDG.EKD festgestellt wird. Nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung spricht alles dafür, dass diese Voraussetzungen für eine Versetzung der Antragstellerin in den Wartestand nicht vorliegen. Dabei kann dahin stehen, ob vorliegend von einer nachhaltigen Störung in der Wahrnehmung des Dienstes der Antragstellerin in ihrer derzeitigen Stelle auszugehen ist. Sollte dies nicht der Fall sein, entfiele von vornherein die Ermächtigung der Antragsgegnerin zur Versetzung der Antragstellerin in den Wartestand. Selbst wenn jedoch anzunehmen wäre, dass eine nachhaltige Störung im Sinne von § 80 Abs. 1 und 2 PfDG.EKD vorliegt, dürfte die Antragsgegnerin nicht befugt gewesen sein, die Antragstellerin in den Wartestand zu versetzen. Denn es spricht nichts dafür, dass eine Versetzung der Antragstellerin in eine andere Stelle nicht durchführbar ist.

Entgegen der wohl von der Antragsgegnerin vertretenen Auffassung dürfte eine Versetzung in eine andere Stelle nicht schon dann „nicht durchführbar“ sein, wenn der betroffene Pfarrer sich mit der Versetzung nicht einverstanden erklärt. Dies folgt schon aus der Regelung in § 79 Abs. 2 PfDG.EKD, wonach Pfarrer nur dann versetzt werden können, wenn sie sich um eine andere Verwendung bewerben oder der Versetzung zustimmen oder wenn ein besonderes kirchliches Interesse an der Versetzung besteht, das u.a. insbesondere im Falle einer nachhaltigen Störung in der Wahrnehmung des Dienstes vorliegt. Daraus folgt, dass im Falle einer nachhaltigen Störung in der Wahrnehmung des Dienstes eine Versetzung eben gerade auch ohne Zustimmung des Pfarrers erfolgen kann. Eine nach § 83 Abs. 2 Satz 1 PfDG.EKD gegenüber der Versetzung in den Wartestand vorrangige – und nicht etwa im Ermessen der Antragsgegnerin liegende – Versetzung in eine andere Stelle erfasst alle drei Alternativen des § 79 Abs. 2 PfDG.EKD und damit auch eine Versetzung ohne Zustimmung des Pfarrers. Dafür, dass vorliegend eine solche Versetzung ohne Zustimmung der Antragstellerin nicht durchführbar ist, hat die Antragsgegnerin nichts vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich. Nach den Angaben der Antragsgegnerin gab es zum Zeitpunkt der Wartestandsversetzung fünf freie Stellen, wovon zwei durch Entsendung zu besetzen waren. Es ist nicht ersichtlich, dass eine Besetzung einer dieser Stellen mit der Antragstellerin – etwa wegen unüberwindbaren Widerstandes der betreffenden Gemeinde – nicht möglich gewesen wäre. Dass es generell gute Gründe gegen eine zwangsweise Versetzung eines Pfarrers geben mag, ändert an der Rechtslage nichts. Die Antragsgegnerin weist auch selbst darauf hin, dass keine Gründe für die Annahme bestehen, die Antragstellerin könnte in einer anderen Stelle nicht gedeihlich wirken. Auch Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin sich ernsthaft geweigert hätte, ihrer Versetzung in eine andere Stelle Folge zu leisten, insbesondere den Dienst nicht anzutreten, liegen nicht vor. Allein aus ihrer Weigerung, einer Versetzung zuzustimmen, und aus ihrem Wunsch, wieder in ihrer bisherigen Stelle tätig zu werden, darf dies nicht gefolgert werden. Denn andernfalls liefe die Regelung, wonach auch eine Versetzung in eine andere Stelle ohne Zustimmung des Pfarrers Vorrang gegenüber seiner Versetzung in den Wartestand hat, leer.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 72 Abs. 1, 75 KvwGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 62 Abs. 2 KvwG).