Besorgnis der Befangenheit eines Kirchenrichters, Verwaltungsgericht der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, Beschluss v. 17.09.2018, Az. KVwG 2/2017 (jetzt: 4/2018)

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Selten bieten kirchengerichtliche Verfahren Anlass dem Begriff und der Beteiligung des „kirchengesetzlichen Richters“ nachzugehen. Vorliegend hat nun das Verwaltungsgericht der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens in einem Klage- und Eilverfahren Gelegenheit gehabt, die Frage der Befangenheit oder der Besorgnis der Befangenheit eines beisitzenden Kirchenrichters zu klären.

In der Ausgangssituation ist die Klägerin eine Kirchengemeinde der beklagten Landeskirche. Der Streit in der Sache betrifft die Besetzung einer Pfarrstelle in der Kirchengemeinde.

Der beisitzende Richter A. gehört der klagenden Kirchengemeinde an, er bekleidet dort aber kein besonderes Amt. Gleichwohl hat die beklagte Landeskirche einen Befangenheitsantrag gestellt. Diesem hat das Verwaltungsgericht Rechnung getragen und den beisitzenden Richter ausgeschlossen.

Fraglich ist, ob die Argumentation, dass die bloße Gemeindezugehörigkeit bereits Zweifel an der Unparteilichkeit im Verfahren begründet, auch tragfähig ist. Zwar sieht das landeskirchliche Prozessrecht die Überprüfung des Beschlusses nicht vor, aus hiesiger Sicht hätte es aber womöglich weiterer konkreter Anhaltspunkte dafür bedurft, dass die Mitwirkung des konkreten beisitzenden Richters im konkreten Verfahren Zweifel an der Unparteilichkeit begründete. Denn es ist durch den kirchlichen Gesetzgeber zunächst bereits vorgegeben, dass der beisitzende Richter einer Kirchengemeinde angehören muss. § 3 Abs. 3 KVwGG regelt:

„Die Mitglieder und die stellvertretenden Mitglieder des Gerichts müssen einer Gliedkirche der Evangelischen Kirche in Deutschland angehören und zu kirchlichen Ämtern wählbar sein.“

Der Praxis der landeskirchlichen Gerichte entspricht es häufig, dass die Mitglieder nicht nur einer x-beliebigen Gliedkirche angehören, sondern häufig der eigenen Gliedkirche, hier also der beklagten Landeskirche.

Dies ist auch der Landeskirche nicht etwa unbekannt, denn die Mitglieder des Verwaltungsgerichts werden nach § 4 Abs. 1 KVwGG „auf Vorschlag des Landeskirchenamtes von der Kirchenleitung“ gewählt. Die durch das Landeskirchenamt vertretene Beklagte, die im laufenden Verfahren den beisitzenden Richter ablehnte, hatte ihn also ursprünglich als Richter vorgeschlagen.

Dies vorweggeschickt bleibt aber die Frage offen, ob die Zugehörigkeit zu einer (klagenden) Kirchengemeinde ausreicht, den Ausschluss eines Richters herbeizuführen. Die gesetzliche Vorschrift des § 10 Abs. 1 KVwGG fordert:

„Die Beteiligten können ein Mitglied des Gerichts wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Zweifel an seiner Unparteilichkeit zu rechtfertigen.“

Die Zugehörigkeit zu der Kirchengemeinde müsste daher nicht nur ein Grund, sondern auch ein geeigneter Grund sein. Dies ist nicht ohne Weiteres überzeugend. Denn auch wenn das Kirchliche Verwaltungsgericht der Auffassung ist, ein Gemeindeglied sei „in besonderer Weise von der Besetzung der Pfarrstelle […] betroffen“, bleibt völlig offen, woraus sich diese besondere Betroffenheit ableiten ließe. Aus der Begegnung innerhalb der Kirchengemeinde, im Gottesdienst? Aus einem besonderen seelsorgerlichen Verhältnis? Aus der Inanspruchnahme von kirchlichen Amtshandlungen? Wenn letztere Beispiele gemeint sein sollten, dann hätte es hierfür aber besonderer Anzeichen bedurft. Die bloße Zugehörigkeit zu einer Kirchengemeinde begründet eben noch kein spezielles seelsorgerliches Verhältnis und führt auch nicht zwingend dazu, dass der betroffene Richter Amtshandlungen gerade dieses Pfarrers in Anspruch nimmt. Statistisch dürfte es sogar doch eher die Ausnahme darstellen. Auch wenn kirchliche Richter sicherlich zu den engagierten Kirchenmitgliedern gehören dürften, bleibt völlig offen, ob diese Bindung auch innerhalb der Kirchengemeinde besteht, bestehen kann oder bestehen muss. Hier dürfte die „besondere Betroffenheit“ im Sinne des Kirchlichen Verwaltungsgerichts wohl eher Spekulation bleiben.

Ob ein nur spekuliertes, also vermutetes besonderes Verhältnis ausreicht, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen, ist dann ebenso eine Frage des Einzelfalls. Es wäre wohl ebenso die Sachentscheidung zu vertreten gewesen, dass es eben weiterer Anhaltspunkte über die bloße Mitgliedschaft hinaus bedurft hätte.

Im staatlichen Recht dürfte es wohl als ausgeschlossen gelten, dass die bloße (staatliche) Gemeindezugehörigkeit zu einer klagenden (politischen) Gemeinde ausreichen würde, eine „besondere Betroffenheit“ im Hinblick etwa auf die Wahl eines Bürgermeisters/einer Bürgermeisterin herzuleiten. Beschlüsse, die allein aus diesem Grund die Besorgnis der Befangenheit angenommen hätten, sind jedenfalls hier bislang unbekannt.

Allgemein gibt der Beschluss noch einmal Anlass darüber nachzudenken, ob es nicht für die Kirchen und ihre kirchlichen Gerichte ohnehin ratsam(er) wäre, gezielt richterliche Mitglieder aus anderen Landeskirchen zu gewinnen und sich so jeglicher Besorgnis der Befangenheit zu entledigen. Bereits der Beschluss der Disziplinarkammer der Ev. Landeskirche in Württemberg (Beschluss v. 24.09.2015, Az. DG 1/05) hatte seinerzeit die gleiche Frage aufgeworfen.

Die hier besprochene Entscheidung lautet im Volltext:

Der beisitzende Richter A ist an der Mitwirkung in diesem Gerichtsverfahren ausgeschlossen.

Gründe:

Der zulässige Befangenheitsantrag der Beklagten ist begründet. Die Zugehörigkeit von Herrn A zur Klägerin ist geeignet, Zweifel an seiner Unparteilichkeit in diesem Verfahren zu begründen (§ 10 KVwGG), weil ein Gemeindeglied in besonderer Weise von der Besetzung der Pfarrstelle seiner Gemeinde betroffen ist.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.