Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten auch für Geistliche und Kirchenbeamte eröffnet, Bundesverwaltungsgericht, Urteil v. 27.02.2014, Az. 2 C 19.12

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Geist­li­che und Kir­chen­be­am­te kön­nen sich gegen dienst­recht­li­che Maß­nah­men ihrer Re­li­gi­ons­ge­sell­schaft mit der Rüge, die Maß­nah­me ver­sto­ße gegen ele­men­ta­re Grund­sätze der staat­li­chen Rechts­ord­nung, grund­sätz­lich an die staat­li­chen Ver­wal­tungs­ge­rich­te wen­den. Die Prü­fung an Hand des kirch­li­chen Rechts da­ge­gen ist Sache der in­ner­kirch­li­chen Ge­rich­te. Das hat das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt in Leip­zig heute ent­schie­den. Es hat aber die Klage eines frü­he­ren evan­ge­li­schen Pas­tors auf Wei­ter­be­schäf­ti­gung bzw. hö­he­re Ab­fin­dung ab­ge­wie­sen.

Der Klä­ger, ein evan­ge­li­scher Theo­lo­ge, wen­det sich gegen die Be­en­di­gung sei­nes kir­chen­recht­li­chen Dienst­ver­hält­nis­ses auf Zeit als Pas­tor im Son­der­dienst. Die­ses (in­zwi­schen wie­der ab­ge­schaff­te) Son­der­dienst­ver­hält­nis war von der be­klag­ten Evan­ge­li­schen Kir­che im Rhein­land im Jahr 1985 als eine Art Ar­beits­be­schaf­fungs­maß­nah­me für aus­ge­bil­de­te Theo­lo­gen ein­ge­rich­tet wor­den; eine Be­ru­fung in die­sen Son­der­dienst war von vorn­her­ein auf höchs­tens zwei Mal fünf Jahre be­fris­tet. Auf die­ser Grund­la­ge war der Klä­ger von 1994 bis 2004 als Pas­tor in der Kran­ken­haus­seel­sor­ge tätig. Nach dem Ende des Dienst­ver­hält­nis­ses wurde er von der Be­klag­ten für diese Zeit in der ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung nach­ver­si­chert und er­hielt eine Ab­fin­dung. Sein Rechts­schutz­be­geh­ren auf Wei­ter­be­schäf­ti­gung als Kir­chen­be­am­ter sowie auf Ge­wäh­rung einer hö­he­ren Ab­fin­dung blieb vor der Ver­wal­tungs­kam­mer der Be­klag­ten (dem von die­ser ein­ge­rich­te­ten kirch­li­chen Ge­richt) ohne Er­folg.

Dar­auf­hin wand­te sich der Klä­ger an die staat­li­chen Ge­rich­te. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat der Klage teil­wei­se statt­ge­ge­ben. Es hat die Be­klag­te ver­pflich­tet, über die An­trä­ge des Klä­gers neu zu ent­schei­den. Zur Be­grün­dung hat es an­ge­führt, die Be­klag­te habe gegen ihre aus der grund­ge­setz­li­chen Be­rufs­frei­heit flie­ßen­de Für­sor­ge­pflicht ver­sto­ßen, weil sie den Klä­ger für den Fall sei­nes Aus­schei­dens aus dem Kir­chen­dienst nach zehn­jäh­ri­ger Tä­tig­keit, ohne dass er eine Pfarr­stel­le finde, nicht an­ge­mes­sen ab­ge­si­chert habe.

Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat das Be­ru­fungs­ur­teil auf­ge­ho­ben und das Be­geh­ren des Klä­gers in der Sache ab­ge­wie­sen. Es hat al­ler­dings be­tont, dass der Rechts­weg zu den Ver­wal­tungs­ge­rich­ten nicht von vorn­her­ein des­we­gen aus­ge­schlos­sen ist, weil es im Streit­fall um Maß­nah­men im Be­reich des in­ner­kirch­li­chen Dienst­rechts geht, der den Re­li­gi­ons­ge­sell­schaf­ten von Ver­fas­sungs wegen (Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 3 Satz 1 und 2 WRV) zur Selbst­ver­wal­tung zu­ge­wie­sen ist. Der Jus­tiz­ge­wäh­rungs­an­spruch des Grund­ge­set­zes gilt auch hier. Das Selbst­be­stim­mungs­recht der Re­li­gi­ons­ge­sell­schaf­ten sperrt nicht be­reits den Zu­gang zu den staat­li­chen Ge­rich­ten; ihm ist viel­mehr bei Um­fang und In­ten­si­tät der ge­richt­li­chen Kon­trol­le Rech­nung zu tra­gen. Das öf­fent­lich-recht­li­che Dienst­recht der kor­po­rier­ten Religionsgesellschaf­ten ge­hört zum Kern der ihnen ein­ge­räum­ten Selbst­ver­wal­tungs­ga­ran­tie. Bei Maß­nah­men, die die Be­ru­fung von Geist­li­chen oder Kir­chen­be­am­ten be­tref­fen, ist der Zu­gang zu den staat­li­chen Ge­rich­ten nur mit der Rüge er­öff­net, dass die kirch­li­che Maß­nah­me gegen ele­men­ta­re Grund­sät­ze des staat­li­chen Rechts ver­sto­ße, wie sie das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt auch zur Vor­aus­set­zung für die Ver­lei­hung des Kör­per­schafts­sta­tus (Art. 137 Abs. 5 WRV) macht.

Im Fall des Klä­gers ist nicht er­sicht­lich, dass die be­klag­te Kir­che bei ihrer Ent­schei­dung, den Klä­ger nicht er­neut in ein Kir­chen­be­am­ten­ver­hält­nis zu be­ru­fen, diese Grund­prin­zi­pi­en des staat­li­chen Rechts, wie etwa die Men­schen­wür­de, ver­letzt hätte. Un­be­grün­det ist auch das Be­geh­ren des Klä­gers auf Ge­wäh­rung einer hö­he­ren Ab­fin­dung aus An­lass der Be­en­di­gung des Dienst­ver­hält­nis­ses, etwa in Höhe der Re­ge­lung für Wahl­be­am­te. Der be­klag­ten Kir­che ob­liegt in Bezug auf die so­zia­le Si­che­rung von Kir­chen­be­am­ten, die aus ihrem Dienst aus­schei­den, eine aus dem So­zi­al­staats­prin­zip ab­ge­lei­te­te Für­sor­ge­pflicht. Da­nach müs­sen die Leis­tun­gen der Kir­che einem so­zia­len Min­dest­stan­dard ge­nü­gen. Die­sen An­for­de­run­gen ist die Be­klag­te je­den­falls des­halb ge­recht ge­wor­den, weil sie die Maß­nah­men er­grif­fen hat, die ihr beim Aus­schei­den eines Be­am­ten aus dem Dienst im staat­li­chen Be­reich ob­le­gen hät­ten (Nach­ver­si­che­rung in der ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung und Zah­lung eines Über­gangs­gel­des).

BVerwG 2 C 19.12 – Ur­teil vom 27. Fe­bru­ar 2014

Vor­in­stan­zen:
OVG Müns­ter 5 A 1941/10 – Ur­teil vom 18. Sep­tem­ber 2012
VG Düs­sel­dorf 1 K 714/08 – Ur­teil vom 16. Juli 2010